Als ihr Sohn für die Universität aufbrach, begann für Olive ein neues Kapitel. Sie hatte endlich einen gut bezahlten Job gefunden und konnte ihm alles bieten, was er brauchte. Sieben lange Jahre waren vergangen, in denen ihre Gespräche nur über Videoanrufe stattfanden.
Doch als er schließlich zurückkehrte, war Chris völlig fassungslos, als er die Wahrheit erfuhr. „Chris, mein Schatz, mach dir um nichts Sorgen. Ich werde alles regeln, was ich kann. Ruf mich einfach an, wenn du etwas brauchst“, sagte Olive mit einem warmen Lächeln, während sie am Bahnhof standen.
Chris war auf dem Weg nach New York, um seinen großen Traum eines Universitätsabschlusses zu verwirklichen, und Olive war fest entschlossen, ihn dabei zu unterstützen – koste es, was es wolle. Das Leben hatte Olive nie leicht gemacht.
Als alleinerziehende Mutter, die nachts studierte und tagsüber hart arbeitete, konnte sie Chris nur das Allernötigste bieten. Geburtstagsgeschenke? Oft nur aus zweiter Hand. Luxus? Undenkbar. Doch nie hatte es ihrem Sohn an Liebe oder Geborgenheit gefehlt.
Und jetzt, mit ihrem neuen Job, war Olive bereit, ihm alles zu geben, was sie sich früher nicht leisten konnte. „Danke, Mama. Ich verspreche, dass ich dich stolz machen werde“, sagte Chris, bevor er sie in eine feste Umarmung zog und in den Zug stieg.
Die Jahre vergingen, und Olive opferte alles für ihren Sohn. Sie schickte Pakete mit Büchern, Kleidung und manchmal sogar Leckereien, die er sich sonst nicht gönnen konnte. In seinem dritten Studienjahr verliebte sich Chris in Rosalie, eine bezaubernde junge Frau.
Bis zu ihrem Abschluss war Rosalie mit ihrem ersten Kind schwanger. Obwohl Olive ihre Schwiegertochter noch nie persönlich getroffen hatte, war sie überglücklich, als Chris ihr in einem Videoanruf die große Neuigkeit mitteilte: „Mama, du wirst Oma!“
Ihr Herz sprang vor Freude, doch es wurde auch schwer, als Chris eines Tages mit einer ernsten Bitte an sie herantrat. „Mama, Rosalie und ich haben unser Traumhaus in New Jersey gefunden. Es wäre perfekt für uns… aber wir brauchen Hilfe für die Anzahlung.“
Olive schluckte. Sie hatte mühsam für ihre Rente gespart. Doch Chris erzählte, dass Rosalie keine Familie hatte, die ihnen helfen konnte. Olive zögerte nicht lange. „Natürlich helfe ich euch“, sagte sie, obwohl sie genau wusste, dass sie dafür tief in ihre Ersparnisse greifen musste.
So wie sie früher seine Studiengebühren bezahlt hatte, gab sie jetzt alles, um Chris und seiner Familie einen Neuanfang zu ermöglichen. Die Jahre zogen ins Land, und Olive arbeitete härter als je zuvor. Sie schickte Spielzeuge und Kleidung für ihre Enkelin Mallory,
träumte davon, sie eines Tages in die Arme zu schließen. Doch die Besuche blieben aus – das Leben war zu hektisch, die Distanz zu groß. Schließlich beschloss Chris, sie zu überraschen. Er wollte seiner Mutter persönlich für all ihre Opfer danken.
Doch als er an ihrem alten Haus in Maryland ankam, traf ihn der Anblick wie ein Schlag. Das Haus war verlassen. Die Veranda leer, der Garten verwildert. Er klopfte an die Tür, aber niemand öffnete. Eine Nachbarin, Frau Torres, bemerkte ihn und trat zu ihm herüber.
„Olive? Sie wohnt hier schon seit zwei Jahren nicht mehr. Sie hat das Haus verkauft.“ Chris‘ Herz setzte einen Schlag aus. „Verkauft? Warum?“ fragte er ungläubig. Frau Torres gab ihm Olives neue Adresse, und als er dort ankam, brach ihm fast das Herz.
Olive lebte in einem heruntergekommenen Mietshaus, ihre Wohnung war winzig und schlicht. „Mama… warum hast du mir nicht gesagt, dass du das Haus verkauft hast?“ fragte er mit zitternder Stimme, als er sie sah. Olive sah ihn an, und in ihren Augen lag dieselbe unerschütterliche Liebe,
die sie ihm immer gezeigt hatte. „Weil ich nicht wollte, dass du dir Sorgen machst, Schatz. Du brauchst mich mehr als dieses Haus. Das hier ist nicht wichtig. Du bist wichtig.“ Chris konnte es nicht fassen. Sie hatte ihr Zuhause aufgegeben, um ihm zu helfen – ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Sekunde zu zögern.
„Mama, wie konnte ich nur so blind sein?“ Er zog sie in eine Umarmung, Tränen liefen ihm übers Gesicht. „Du hast mir alles gegeben, und ich habe nicht einmal gemerkt, was du geopfert hast.“ „Chris“, sagte Olive sanft, während sie ihm über die Wange strich.
„Ich habe nichts geopfert. Es war immer meine Entscheidung. Alles, was zählt, ist, dass du glücklich bist.“ An diesem Abend rief Chris Rosalie an, und gemeinsam trafen sie eine Entscheidung. Sie holten Olive nach New Jersey, direkt in ihre Nähe.
Zum ersten Mal durfte Olive ihre Enkelin Mallory in die Arme schließen, und ihre Welt war wieder voller Leben. Chris ließ nicht zu, dass seine Mutter jemals wieder verzichten musste. Er arbeitete hart daran, ihr alles zurückzugeben, was sie ihm gegeben hatte
– nicht nur das Geld, sondern auch die bedingungslose Liebe und den unerschütterlichen Glauben an ihn. Für Chris wurde eines klar: Das größte Geschenk, das er jemals erhalten hatte, war die Liebe seiner Mutter. Jetzt war es an der Zeit, diese Liebe zu erwidern – jeden Tag, ein Leben lang.