Mein 16-jähriger Sohn verbrachte den Sommer bei seiner Großmutter – und eines Tages rief sie mich unerwartet an.

Unterhaltung

Als mein 16-jähriger Sohn plötzlich vorschlug, den Sommer bei seiner Großmutter zu verbringen und sich um sie zu kümmern, die eine Behinderung hatte, fühlte ich einen Hauch von Hoffnung. Vielleicht, dachte ich, hatte er endlich den richtigen Weg gefunden, vielleicht wuchs er endlich auf.

Doch dann kam eines Abends der Anruf. Ein Anruf, der alles veränderte, der diese Hoffnung mit einem Schlag zerstörte. „Bitte, komm und rette mich vor ihm!“ flüsterte meine Mutter, und ihre Stimme war zitternd, voller Angst – etwas, das ich von ihr nie erwartet hätte. Ich erstarrte. Ein kaltes, unangenehmes Gefühl kroch durch meinen Körper.

„Was ist los?“, wollte ich schreien, aber der Anruf war bereits beendet, die Leitung tot. Ich starrte auf das Telefon, mein Herz hämmerte laut in meiner Brust, und ein Schauer lief mir über den Rücken. Die Mutter, die immer stark war, die nie einen Schritt zurück machte, war in Angst. Und ich wusste sofort, dass es um ihn ging – meinen Sohn.

Er war immer schon ein schwieriges Kind gewesen, aber in letzter Zeit hatte sich etwas verändert. Etwas Dunkles, Unvorhersehbares. Mit seinen sechzehn Jahren hatte er alle Grenzen überschritten, die ich für ihn gesetzt hatte, als ob er versuchte, alles zu testen – seinen eigenen Platz in der Welt, die Welt um ihn herum.

Er war ungehorsam, wütend, mit einer Haltung, die er sich wie eine Rüstung angezogen hatte. Ein Tornado aus Verachtung und Trotz, der durch unser Zuhause fegte. Und doch – wie in einem Moment der Klarheit – erinnere ich mich an diesen einen Augenblick, als er vor mir stand, mit einem seltsamen Grinsen, als er plötzlich sagte:

„Ich habe darüber nachgedacht, diesen Sommer bei Oma zu bleiben. Du hast doch immer gesagt, sie könnte mehr Gesellschaft gebrauchen. Ich könnte mich um sie kümmern.“ Ich war überrascht – positiv überrascht. Ich hatte es nicht erwartet, und für einen kurzen Augenblick blühte ein Funken Hoffnung in mir auf.

„Vielleicht“, dachte ich, „vielleicht wird er endlich der verantwortungsbewusste junge Mann, den ich mir immer gewünscht habe.“ Doch als ich nun, in der Dunkelheit der Nacht, im Auto saß und die Straßen entlangfuhr, begannen diese Worte, die er damals gesagt hatte, wie ein drohendes Echo in meinem Kopf zu hallen. Ein Gefühl der Beklemmung packte mich.

„Du willst… wirklich bei Oma bleiben? Du, der sonst nie länger als ein paar Stunden dort sein konnte?“ Er zuckte mit den Schultern, ein Lächeln, das nichts Gutes verhieß. „Ich werde ihr helfen, sich zu kümmern. Und vielleicht könntest du die Pflegekraft rauswerfen. Du würdest Geld sparen, oder?“

Ich konnte es kaum fassen. Was war das für ein Lächeln? Ein Lächeln, das so seltsam, so kalt war – wie eine Maske, die er aufgesetzt hatte. Es war nicht das warme, ehrliche Lächeln eines Sohnes, der sich um seine Großmutter kümmern wollte. Nein, es war ein Lächeln, das mir tief im Inneren Gänsehaut bereitete.

Je mehr ich fuhr, desto mehr fügten sich all diese kleinen Puzzleteile, die ich bisher ignoriert hatte, zu einem Bild zusammen. Ein Bild, das mir gar nicht gefiel. „Menschen ändern sich“, hatte er mit einem Achselzucken gesagt, und sein Grinsen wurde noch breiter. „Ich bin fast ein Mann, oder?“

Damals hatte ich ihm geglaubt. Hatte ich wirklich geglaubt, dass er endlich Verantwortung übernehmen würde? Dass er, nach all den Jahren, endlich den Schritt in die richtige Richtung machen würde? Jetzt wusste ich, dass ich mich getäuscht hatte. Ich erinnerte mich an die Anrufe während seiner ersten Woche bei Oma.

Immer schneller, immer ungeduldiger – als wollte er die Kontrolle über das Gespräch haben. „Hallo, Mama! Oma schläft. Sie sagte, sie ist zu müde, um zu sprechen, aber ich sage ihr, dass du angerufen hast“, hatte er gesagt. Diese Worte, in seiner schnellen, hektischen Art, ließen mir das Herz in die Hose rutschen.

Warum hatte ich nicht sofort misstrauisch geworden? Warum hatte ich nicht nachgefragt? Warum hatte ich diese Warnzeichen übersehen? Ich erinnerte mich an all die Jahre, in denen wir allein waren, mein Sohn und ich. Seit seinem zweiten Lebensjahr war ich alles für ihn – Mutter und Vater zugleich. Ich versuchte, ihm alles zu geben, was er brauchte, um nicht zu zerbrechen.

Aber mit dem Eintritt in die Pubertät begannen die Risse in seiner Persönlichkeit immer größer zu werden. Die einzige Person, die ihn manchmal zu erreichen schien, war meine Mutter. Sie hatte immer eine Art, ihn zu beruhigen, selbst wenn er an ihr rüttelte und ihre Geduld bis zum Äußersten dehnte.

Jetzt saß ich in meinem Auto, drückte wieder die Nummer meiner Mutter, mein Herz raste, meine Finger zitterten vor Angst. Doch die Leitung blieb stumm. Keine Antwort. Nichts. Die Dunkelheit um mich herum schien sich plötzlich zu verdichten, und ich spürte, dass ich auf einer gefährlichen Schwelle stand. Ein Albtraum, der sich aus den Schatten der Vergangenheit zusammenbraute.

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