„Was fällt Ihnen ein, mich so zu behandeln?“ brüllte die Frau, ihre Stimme überschlug sich fast vor Wut. „Ich schwöre, ich werde dafür sorgen, dass niemand mehr jemals auch nur einen Fuß in diesen jämmerlichen Laden setzt!“ Die Szene war surreal. Ihre Worte hallten durch den kleinen Raum, während die anderen Kunden wie erstarrt auf ihren Plätzen saßen.
Manche hatten ihre Tassen Kaffee halb erhoben, andere verharrten mitten im Biss in ein Stück Pizza – alle starrten sie nur auf diese Frau, deren Rage wie ein Sturm durch den Raum fegte. Neben mir stand meine Großmutter. Sie wirkte vollkommen unberührt, ihre Haltung war die eines alten Baumes, der jeden Windstoß überlebt hatte.
Sie wischte langsam mit einem Tuch über die Theke, als wäre das alles nur eine lästige Fliege, die man ignorieren konnte. Ich hingegen? Mein Puls raste, und meine Hände waren feucht vor Nervosität. Sollte ich etwas sagen? Eingreifen? Aber wie? Die Frau war wie ein wütender Vulkan, und jeder falsche Schritt könnte den Ausbruch nur verschlimmern.
„Madame,“ begann ich schließlich zögerlich, meine Stimme nicht mehr als ein Hauch, „vielleicht könnten wir das…“ „DU!“ fuhr sie mich an, und ihre Augen glühten vor Zorn. „Du stehst hier rum, als wärst du komplett unfähig! Ist das eure Idee von Kundenservice? Eine kalte, matschige Pizza und dann dieser Haufen von… von NICHTS?!“
Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde, doch bevor ich etwas erwidern konnte, erklang die Stimme meiner Großmutter – ruhig, klar, wie ein plötzlicher Sonnenstrahl nach einem Regenguss. „Entschuldigen Sie, gnädige Frau,“ sagte sie mit einem Ton, der so fest und sanft war, dass selbst die Luft im Raum kurz innezuhalten schien,
„aber vielleicht sollten wir einen Moment innehalten und die Sache gemeinsam klären.“ Die Frau drehte sich zu ihr um, ihre Wut jetzt auf meine Großmutter gerichtet. „Klären?“ zischte sie. „Was gibt es da zu klären? Ihr habt mir diese schreckliche Pizza verkauft, und ich…“
„Sind Sie sicher?“ unterbrach sie meine Großmutter sanft, aber bestimmend. Ihre Hände ruhten auf der Theke, und ihr Blick war so ruhig, dass selbst die Frau kurz ins Stocken geriet. „Natürlich bin ich sicher!“ schrie sie, aber ihr Ton hatte an Überzeugungskraft verloren.
„Dann schauen wir uns doch mal die Schachtel an,“ schlug meine Großmutter vor, als würde sie einem Kind eine Lektion erteilen, ohne es wissen zu lassen. Sie griff nach der Pizzaschachtel, die die Frau auf die Theke geknallt hatte, und drehte sie langsam so, dass das Logo gut sichtbar war. „Sehen Sie das hier?“ fragte sie und deutete auf die bunte Schrift. „Das ist nicht unser Logo.“
Die Worte meiner Großmutter hingen für einen Moment in der Luft, während alle im Raum – einschließlich der Frau – auf die Schachtel starrten. Es war, als ob die Zeit stehen blieb. Dann, ganz langsam, begann die Farbe aus dem Gesicht der Frau zu weichen. „Das…“ stammelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Das kann nicht sein.“
„Doch,“ sagte meine Großmutter und lächelte dabei freundlich, ohne auch nur einen Hauch von Triumph zu zeigen. „Diese Pizza stammt von der Pizzeria gegenüber.“ Die Stille war ohrenbetäubend, bevor das erste leise Kichern eines Kunden den Bann brach. Es war ansteckend.
Innerhalb von Sekunden explodierte der Raum in ein lautes, befreites Gelächter, das selbst die letzte Spur von Spannung hinwegfegte. Die Frau hingegen war wie versteinert. Sie schnappte nach Luft, ihr Blick wanderte hektisch zwischen der Schachtel, meiner Großmutter und der Tür hin und her.
Schließlich griff sie hastig nach der Schachtel, als wäre sie ein Beweisstück, und stürzte hinaus. Die Tür schlug hinter ihr zu, und für einen Moment war der Raum in eine selige Ruhe getaucht. Dann brach das Gelächter erneut aus, lauter und herzlicher als zuvor. „Das war das Beste, was ich je gesehen habe!“ rief ein Kunde, der sich vor Lachen auf den Tisch stützte.
„Absolut legendär,“ stimmte ein anderer zu. „Diese Szene werde ich nie vergessen!“ Meine Großmutter, so gelassen wie eh und je, fuhr damit fort, die Theke zu wischen, als wäre nichts passiert. „Manchmal erledigen sich die Dinge von selbst,“ sagte sie leise, aber mit einem amüsierten Glitzern in den Augen.
Ich ging ans Fenster, um zu sehen, wohin die Frau geflüchtet war. Und da war sie, direkt vor der Pizzeria auf der anderen Straßenseite, die Schachtel immer noch in der Hand. Die Mitarbeiter dort hatten offensichtlich alles beobachtet und winkten ihr nun hämisch zu. Sie stand unschlüssig da, ihre Schultern sanken, und schließlich drehte sie sich um und verschwand die Straße hinunter.
„Eine schöne Lektion in Demut,“ murmelte meine Großmutter und legte mir ihre Hand auf die Schulter. „Das Leben hat manchmal eine wunderbare Art, uns daran zu erinnern, dass wir alle Fehler machen,“ sagte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja,“ antwortete sie und lächelte. „Manchmal in Form einer Pizza.“