Joan blätterte durch ihr altes Schulalbum, die vergilbten Fotos, die verblassenden Erinnerungen an die Zeit, als alles noch so einfach schien. Zwanzig Jahre waren seit dem Abschluss vergangen, und doch fühlte es sich wie gestern an. Besonders ein Gesicht ließ ihr Herz ein wenig schneller schlagen – der Junge, der damals ihr Herz brach. An jenem Abend, an dem das Klassentreffen bevorstand, wusste sie noch nicht, dass er es nie gewesen war, der die Schuld trug.
Während ich in Gedanken versunken durch die Seiten des Albums blätterte, spürte ich die vertraute Melancholie der Vergangenheit. Joana Cooper, das naive Mädchen mit dem breiten, verträumten Lächeln und dem kitschigen Spruch unter ihrem Foto: „Liebe ist Teamarbeit.“ Wie bedeutungsvoll das damals für mich klang, und wie kläglich ich versagt hatte, die Realität dahinter zu begreifen.
Doch als ich auf sein Bild stieß, erstickte das Lachen in meiner Kehle – Chad Barns. Meine Schwärmerei aus der Highschool, der Grund für all die kleinen Notizen, die ich in seinen Spind schmuggelte, und die verliebten Blicke, die ich ihm hinterherwarf. Ich war so sicher gewesen, dass er „der Eine“ war, hatte unsere Zukunft bis ins kleinste Detail ausgemalt. Doch hier saß ich nun, eine Single-Frau mit fast 40 Jahren, und fragte mich immer noch, warum alles so abrupt enden musste.
Ungefähr zur selben Zeit klingelte es an meiner Tür, und meine beste Freundin Lora stand dort mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. „Bereit für das große Wiedersehen?“ Ihre Augen funkelten vor Vorfreude, doch meine Unruhe wog schwer auf mir.
„Ich weiß nicht, ob ich wirklich gehen will,“ murmelte ich, mich gegen den Türrahmen lehnend. Lora zog die Augenbrauen hoch. „Wirklich? Ist das wegen Chad? Nach zwanzig Jahren immer noch?“ Die Scham überkam mich, aber ich nickte schließlich. „Ja, ich weiß, es klingt albern, aber es nagt an mir. Ich dachte, wir hätten etwas Besonderes, und dann hat er mich einfach im Stich gelassen.“
Lora legte mir eine Hand auf die Schulter und lächelte. „Vielleicht ist er gar nicht dort heute Abend. Und wenn doch, lass ihn sehen, was er verpasst hat.“ Ich atmete tief durch und zwang mich zu einem Lächeln, spürte jedoch, wie der Knoten in meinem Magen immer enger wurde.
Auf dem Weg zum Klassentreffen war ich ein Nervenbündel. Das Schulgebäude tauchte vor uns auf, und ein Schauer der Nostalgie überkam mich. Das Lachen, die Erinnerungen – es war, als hätte ich eine Zeitmaschine betreten. Freunde von damals umarmten mich, Gesichter, die sich kaum verändert hatten, und doch schien es ein Hauch von Alter und Reife zu geben.
Dann entdeckte ich ihn. Chad stand am anderen Ende des Raumes, sein Lächeln wirkte warm und bekannt, fast wie ein Gruß aus der Vergangenheit. Mein Herz setzte für einen Augenblick aus, als unsere Blicke sich trafen, und eine Flut alter Gefühle stürzte auf mich ein.
Lora griff sanft nach meinem Arm und flüsterte eindringlich: „Joana, vergiss ihn. Lass ihn nicht die Oberhand gewinnen.“ Ich wollte ihr folgen, mich zurückhalten – doch da war dieser brennende Wunsch nach Antworten.
Später am Abend, nachdem Lora sich mit einem Weinfleck auf ihrem Kleid ins Bad verabschiedet hatte, fühlte ich mich plötzlich allein. Um Luft zu schnappen, wanderte ich hinaus zu der Bank im Schulhof – meinem alten Lieblingsplatz. Kaum hatte ich mich gesetzt, hörte ich Schritte hinter mir. Chad kam näher, und das Lächeln auf seinem Gesicht war warm, vorsichtig.
„Joana,“ begann er sanft, „es ist eine Ewigkeit her.“ Ich schluckte, versuchte die Ruhe zu bewahren. „Das ist es wirklich.“
Dann brachte er ein Wort zur Sprache, das meine Welt ins Wanken brachte. „Brief?“ wiederholte ich verwirrt. Er sah ernst aus, seine Augen traurig. „Ich habe dir damals einen Brief hinterlassen, in dem ich dich um ein Date bat. Als du nicht kamst, dachte ich, du wärst nicht interessiert.“
Plötzlich fiel alles wie ein Puzzlestück in mein Gedächtnis zurück, und ich drehte mich langsam um, als Lora wieder auftauchte. Ein Funken von Schuld leuchtete in ihren Augen auf. Es war wahr – sie hatte uns absichtlich getrennt. Ich spürte die aufsteigende Wut und die Enttäuschung, die mich fast überwältigte.
„Wegen deiner Eifersucht?“ flüsterte ich, und Lora konnte nur nicken, bevor sie sich hastig abwandte. Als sie verschwand, fühlte ich, wie eine Last von mir fiel – und Chad zog mich behutsam in seine Arme.
Wir standen da, im nächtlichen Schulhof, die verpassten Jahre zwischen uns. Die Vergangenheit konnten wir nicht ändern, doch die Zukunft lag offen vor uns.